Szenarien zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion aus Algen

Mikroalgen können aus Sonnenlicht, Kohlendioxid (CO2) und Nährstoffen mit hoher Effizienz hochwertige Inhaltsstoffe, wie ungesättigte Fettsäuren und Carotinoide, produzieren. Durch ihre Kultivierung auf versiegelten oder marginalen Flächen in aquatischen technischen Systemen mit kontrollierten Stoffkreisläufen kommt es weder zur Konkurrenz um Ackerflächen noch zu einem Einsatz an Pflanzenschutzmitteln oder Austrag an Nährstoffen in die Grund- und Oberflächengewässer. Im Rahmen dieses inter- und transdisziplinären Projekts wurden die techno-ökonomischen und ökologischen Aspekte und Folgen der Proteinherstellung mit Mikroalgen analysiert und eine Bevölkerungsumfrage sowie ein Workshop mit Stakeholdern durchgeführt, um zu eruieren, ob die technischen Möglichkeiten die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen können.

Klima-/Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit

Zur Abschätzung des möglichen Beitrags von Mikroalgen für Klimaschutz und Um-weltverträglichkeit wurden Ökobilanzen nach ISO 14040 und 14044 erstellt. Dabei wurden alle Stoff- und Energieströme zur Proteinherstellung bilanziert und hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen bewertet. Der Vergleich einer inländischen, durch elektrische Lichtquellen unterstützten Algenproduktion mit importiertem Soja zeigt, dass Mikroalgen in den Kategorien Flächenverbrauch und terrestrischer Ökotoxizität besser sind. Aufgrund des hohen Stromverbrauchs bei der Kultivierung und Ernte tragen die Algen jedoch nicht im erhofften Umfang zum Klimaschutz bei, sondern setzten im Gegenteil zusätzliche Treibhausgase frei. Der Wasserverbrauch ist durch Recycling geringer als bei Soja, jedoch hängt der Wasserfußabdruck von den Standort- und Klimabedingungen ab. Die Nährstoffversorgung über organische Abfallströme beispielsweise aus der Lebensmittelindustrie oder die CO2 Versorgung über Biogasanlagen würde die Nachhaltigkeit der Algenkultivierung und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, ist jedoch rechtlich eingeschränkt. Für eine kommerzielle, das heißt wirtschaftlich realisierbare und wettbewerbsfähige Algenproduktion für die Ernährung, müssten die Produktionskosten um den Faktor 10 bis 20 reduziert werden.

Narrative der Algenernährung

Die Produktionsmöglichkeiten von Mikroalgen für die Ernährung sind technologisch noch nicht ausgereift und eine Abschätzung ihrer Potenziale und Folgen ist schwierig, auch weil die angestrebten Produkteigenschaften und Lebensmitteltechnische Verwendung wenig bekannt sind. Da die Zukunft ungewiss ist, können sich die Technikentwicklung und der Markt für Algenprodukte an öffentlichen Zukunftsvorstellungen orientieren. In einer zweistufigen Delphi-Umfrage (229 Teilnehmer) wurden Zukunftsvorstellungen von Verbrauchern erhoben und mit einer Clusteranalyse in strukturierte Schlüsselnarrative überführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmer einen Beitrag der Mikroalgen vor allem zum Klimaschutz und nachhaltigen Welternährung wünschen, hingegen ein Wellness- bzw. Gesundheitsprodukt oder die unauffällige Verwendung in einem preiswerten Nahrungsmittel erwarten.

Austausch mit Stakeholdern

Die Projektergebnisse wurden sowohl in der wissenschaftlichen Community als auch mit Stakeholdern im Rahmen eines Workshops diskutiert. Dabei zeigte sich, dass der Stand der Technik und die Zielvorstellungen der Stakeholder beim Klima-schutz von den gesellschaftlichen Erwartungen abweichen. Auch der Beitrag der Mikroalgen zu einer nachhaltigen Welternährung ist noch weit von der Realisierung entfernt, wird jedoch perspektivisch ebenfalls für möglich erachtet.
Zusammengefasst konnte das Projekt zu einer Reflexion der Möglichkeiten und Annahmen der Weiterentwicklung der Algentechnologie beitragen und mit den Schlüsselnarrativen den Austausch zwischen Wissenschaft, Lebensmittelindustrie und Gesellschaft befördern.

ProjekttitelBewertung und Szenarien der Nutzung von Mikroalgen für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln
Institution

Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Beteiligte Wissenschaftler

Dr. Christine Rösch, Maximilian Roßmann, Franziska Kugler, Maren Eußner, Sophie Mok, Nirvana Marting Vidaurre

Projektstatusabgeschlossen